Den Energieausweis gibt es nun schon seit zehn Jahren, jedoch sorgen verschiedene Faktoren dafür, dass er sich noch immer nicht richtig durchgesetzt hat. Besonders die unklaren Angaben führen dazu, dass weder Mieter noch Immobilienkäufer ein großes Interesse am Energieausweis zeigen.
Hintergrund
In Deutschland soll bis zum Jahr 2050 ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand verwirklicht werden, so das Ziel der Bundesregierung. Da hierzulande etwa 35 % der genutzten Energie in Bestandsimmobilien verbraucht werden, müssten die Gebäude energieeffizienter werden, damit die Bundesregierung ihr Klimaschutzziel erreichen kann. Dafür hat sie vor einem Jahrzehnt den Energieausweis ins Leben gerufen. Durch den Energieausweis soll es zum einen allen potenziellen Mietern und Käufern ermöglicht werden, Auskunft über den energetischen Fußabdruck der jeweiligen Immobilie zu erhalten, und zum anderen sollen durch die Transparenz Immobilieneigentümer zur energetischen Sanierung ihrer Immobilie motiviert werden.
Mangelnde Aussagekraft
In der Theorie hört es sich gut an: Dank des Energieausweises können Käufer und Mieter einen Überblick darüber erhalten, ob die gefragte Immobilie Energie spart oder Energie verschwendet. In der Praxis sieht es allerdings so aus, dass die im Energieausweis enthaltenen Zahlen für viele häufig nur schwer nachzuvollziehen sind. Der angegebene Energiekennwert bietet weder für Mieter noch für Kaufinteressenten Anhaltspunkte darüber, wie hoch die zu erwartenden Energiekosten sein werden. Durch die mangelnde Aussagekraft ist der Energieausweis in vielen Fällen eher überflüssig als hilfreich.
Kritik am Dualismus
Einige Experten kritisieren, dass es zwei Energieausweise gibt: den Verbrauchsausweis und den Bedarfsausweis. Der Verbrauchsausweis sei zwar einfacher und günstiger in Bezug auf die Ausstellung, jedoch gibt dieser Ausweis lediglich Auskunft über die Höhe des Energieverbrauchs des vorherigen Mieters, der allerdings vollständig vom individuellen Verhalten abhängig ist. Die Ausstellung eines Bedarfsausweises ist hingegen aussagekräftiger, wenn auch aufwendiger und mit deutlich höheren Kosten verbunden als der Verbrauchsausweis. Daher fordern manche Experten ein Ende des Dualismus und stattdessen nur den Bedarfsausweis zu verwenden, um den tatsächlichen energetischen Zustand einer Immobilie zu erfahren.
Luxemburg als Vorbild
Manche Energierechtler sehen aber auch den Bedarfsausweis kritisch. Zum Teil erfolge die Ausstellung des Bedarfsausweises durch Firmen, die noch nie Fuß in die Immobilie gesetzt haben und auch die Resultate bei der Energieverbrauchberechnung können unterschiedlich ausfallen, abhängig von der genutzten Software. Bei einigen Softwareprogrammen findet beispielsweise die Kühlung des Gebäudes keine Berücksichtigung. Dadurch sei es möglich, das Programm zu wählen, das die besten energetischen Werte der Immobilie feststellt.
Anders sieht es dagegen beispielsweise in Luxemburg aus. In Luxemburg dürfen zum einen keine Verbrauchsausweise ausgestellt werden und zum anderen hat die dortige Regierung festgelegt, welche Software verwendet werden muss. Dadurch wird eine bessere Vergleichbarkeit der Energiewerte erzielt und im Vergleich zu Deutschland hat der Energieausweis es geschafft, sich dort am Markt besser zu etablieren.
Fehlende Nachfrage
Gemäß der subjektiven Wahrnehmung von Branchenexperten fragen hierzulande nur wenige Wohnungsinteressenten nach dem Energieausweis. Der Deutsche Mieterbund hat im Jahr 2014 eine Stichprobe durchgeführt, deren Ergebnis sich mit dieser subjektiven Wahrnehmung deckt. Für diese Stichprobe wurden 77 Wohnungen in sechs Städten untersucht, und zwar in Berlin, München, Wiesbaden, Hannover, Stuttgart und Dresden. Dabei kam heraus, dass in nur acht Fällen ein Energieausweis ohne Nachfrage gezeigt wurde. Trotz Nachfrage wurde in 54 Wohnungen kein Energieausweis vorgelegt. Das geringe Angebot an Mietswohnungen und zum Kauf stehenden Bestandswohnungen führe dazu, dass der Energieausweis keine große Rolle spiele, denn die Interessenten seien froh, überhaupt eine Wohnung zu finden. Zudem befürchteten Mieter, dass eine Bitte um Vorlegung des Energieausweises einen negativen Einfluss auf die Wohnungsvergabe haben könne. Lediglich sehr schlechte Energiewerte seien beim Kauf von gebrauchten Wohnobjekten zu einem bestimmten Grad relevant. Eine größere Rolle spiele der Energieausweis zwar im Neubau, die Energieeffizienz sei aber auch dort kein wesentliches Kriterium.
Die Zahlen
Es gibt in Deutschland erst seit 2014 eine Registrierpflicht für Energieausweise. Etwa 1,1 Mio. Energieausweis-Registriernummern wurden im Zeitraum zwischen 2014 und Ende 2016 abgerufen. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Bautechnik betrage die Zahl der Registriernummer-Anmeldungen zuletzt 380.000 bis 460.000 pro Jahr, insgesamt sind es aktuell insgesamt etwa 1,7 Mio. Während es gemäß den Informationen der Deutschen Energie-Agentur (dena) hierzulande etwa 22 Mio. beheizte Gebäude gibt, sind pro Jahr nur 140.000 bis 200.000 Energieverbrauchsausweise ausgestellt worden sowie 240.000 bis 250.000 Energiebedarfsausweise.
Fazit:
Der Energieausweis ist Pflicht, allerdings spielt dieser trotz seines 10-jährigen Bestehens keine große Rolle im täglichen Immobiliengeschäft. Aus umweltpolitischer Sicht kann der Energieausweis theoretisch zwar wichtige energetische Informationen liefern, allerdings muss es auch für alle möglich sein, diese Informationen nachzuvollziehen, was jedoch häufig nicht der Fall ist. Aufgrund dieses mangelnden Informationswertes verwundert es nicht, dass der Energieausweis eher Verwirrung stiftet, als Orientierung bietet und es somit noch immer nicht geschafft hat auf dem Immobilienmarkt richtig Fuß zu fassen.