Ein Wohngrundstück muss nicht immer mit einem Kraftfahrzeug erreicht werden können, um die ordnungsmäßige Nutzung zu gewährleisten. Eine Ausnahme gilt, wenn sich das Grundstück in einem Gebiet befindet, in dem die planerische Konzeption vorsieht, dass die Wohngrundstücke vom Kraftfahrzeugverkehr entfernt liegen sollen. In einem solchen Fall kann kein Notwegrecht gefordert werden.
Hintergrund zum Fall
Da ihr Grundstück nur eine Anbindung an den öffentlichen Fußweg hat, fordern die Grundstückseigentümer von ihrem Nachbarn ein Notwegrecht. Die Siedlung, in der das Grundstück liegt, wurde als Gebiet für Wochenendhäuser geplant, wodurch die Nutzung des Gebäudes ursprünglich als Wochenendhaus genehmigt war. Seitdem die aktuellen Eigentümer das Haus im Jahr 1998 erworben hatten, nutzten sie es zum Wohnen. 2018 erhielten sie dann die Genehmigung zur dauerhaften Wohnnutzung.
Durch die Mitte der Siedlung verläuft eine öffentliche Straße. Mehrere öffentliche Fußwege zweigen von dieser Straße ab, von denen man zu den einzelnen Grundstücken gelangt. Die Fahrzeuge können entweder entlang der Straße abgestellt werden oder am Parkplatz, der den Anwohnern am Eingang der Siedlung zur Verfügung steht.
An einem Nachbargrundstück verläuft ein Weg, der von einer öffentlichen Straße abführt. Der Weg wurde von den Grundstückseigentümern der Siedlung seit 1998 als Zufahrt zu ihrem Haus genutzt. Doch nachdem das Nachbargrundstück im Jahr 2017 verkauft wurde, versperrte der neue Eigentümer den Weg. Daher forderten die Grundstückseigentümer den neuen Eigentümer auf, dass er ihnen gestattet, den Weg weiterhin mit ihrem Pkw zu nutzen. Sie wollten hierfür eine angemessene Notwegrente zahlen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Nach Auffassung der BGH-Richter gibt es Ausnahmefälle, in denen ein Grundstück nicht mit dem Auto erreichbar sein muss. Der BGH urteilte, dass den Eigentümern in diesem Fall kein Recht zur Nutzung des Weges über das Nachbargrundstück zusteht. Die Klage wurde somit abgewiesen.
Damit rechtlich ein Wegerecht außerhalb des Grundbuchs eingeräumt wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt eine schuldrechtliche Vereinbarung oder ein Notwegerecht gemäß § 917 BGB. Mit dem neuen Eigentümer des Nachbargrundstücks wurde keine Nutzung vereinbart und auch eine Erlaubnis des Voreigentümers bindet nicht den neuen Eigentümer. Aus diesem Grund kann hier nur ein Notwegerecht in Betracht gezogen werden.
Was ist die Voraussetzung für ein Notwegerecht?
Wenn das Grundstück an keinem öffentlichen Weg angebunden ist, kann ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB eingeräumt werden. In einem solchen Fall kann der Eigentümer fordern, dass sein Nachbar die Benutzung seines Grundstücks duldet, damit der Eigentümer sein eigenes Grundstück erreichen kann.
Im vorliegenden Fall besitzt das Grundstück jedoch die notwendige Verbindung, die für die ordnungsmäßige Benutzung erforderlich ist, auch wenn es sich dabei lediglich um einen öffentlichen Fußweg handelt. Während bei der ordnungsmäßigen Benutzung eines Wohngrundstücks in der Regel die Erreichbarkeit mit einem Pkw vorausgesetzt wird, wird hier aufgrund der besonderen Wohnsiedlungsstruktur eine Ausnahme gemacht. Da das Planungskonzept der Siedlung vorsieht, dass die einzelnen Grundstücke nicht direkt per Pkw zu erreichen sind, ist ein öffentlicher Fußweg in diesem Fall ausnahmsweise als Verbindung ausreichend. Auch die Tatsache, dass nachträglich eine dauerhafte Wohnnutzung erlaubt wurde, ändert nichts an dieser Grundkonzeption.